Missio-Nationaldirektor Pater Karl Wallner in der Montagsmesse aus der Hochschule Heiligenkreuz am 16.3.2020 (via EWTN)

Nützen wir die böse Corona-Krise zu etwas Gutem!

Der Corona-Virus ist böse. Wir müssen ihn bekämpfen! Und doch kann diese schreckliche Krise drei Gnaden für die Erneuerung der Kirche bringen.

Doch zuerst muss ich etwas klarstellen, auch für fromme Menschen. Es ist die Unterscheidung zwischen Natur und Übernatur, zwischen Welt und Gnade:

Wir glauben, dass Gott die Welt, das natürliche Leben, erschaffen hat. ER ist der Schöpfer, der der alles geboren hat. ,,Natur” kommt von „Nator”, ich werde geboren. Diese natürliche Schöpfung müssen wir respektieren. Das Bedrohliche und Böse in der Natur ist unerklärbar: Erdbeben, Flutkatastrophen, Krankheiten und Seuchen, sofern sie nicht vorn Menschen verursacht sind.

Wenn es Leid und Krankheit in der Natur gibt, dann müssen wir sie zuerst einmal auch mit natürlichen Mitteln bekämpfen. Wenn ich mir den Fuß gebrochen habe, dann muss ich auch ins Spital gehen, um geheilt zu werden. Wenn ich Fieber bekomme, dann ist die erste Maßnahme, dass ich mich um eine medizinische Behandlung kümmere. Denn es handelt sich um eine Krankheit, die die Natur des Menschen betrifft. Die Natur hat ihre eigene Wirklichkeit: Du kannst nicht ein Eis in die Sonne stellen und dann darum beten, dass es nicht schmilzt.

Doch dann gibt es nicht nur das Leben der Natur, sondern auch das Leben der Übernatur. Das „übernatürliche” ist das unsichtbare Leben der Gnade, des Gebetes, des Vertrauens auf Gott. Im christlichen Glauben verbinden sich oft Natur und Übernatur, Endliches und Göttliches, Irdisches und Jenseitiges. Wir Katholiken haben von Jesus sogar sieben „natürliche” Handlungen geschenkt bekommen, durch die ER seine übernatürliche Gnade vermittelt: das sind die Sakramente. Zum Beispiel:

  • Wasser schenkt der Natur Leben, bei der Taufe vermittelt das übergießen mit Wasser göttliches
  • Olivenöl ist eine gute Salbung der Haut, bei der Firmung wird das Öl zum übernatürlichen Landeplatz des Heiligen Geistes auf der Stirn des jungen
  • Und vor allem bei der Eucharistie: Brot und Wein sind natürliche Lebens-Mittel. Bei der Heiligen Messe werden sie zum Ort der Gegenwart Jesu Christi, seiner realen Präsenz: Der Herr selbst in Person wird zum Lebensmittelpunkt der Kirche, und Er wir zum Lebens-Mittel für jeden, der die heilige Kommunion empfängt!

Und jetzt sind wir plötzlich in eine dramatische Situation einer Pandemie geraten, die es so noch nie gegeben hat. Der Corona-Virus fordert bereits tausende Todesopfer. Er ist besonders heimtückisch, da er durch den Atem, in dem sich Tröpfchen befinden, übertragen wird. Man kann 14 Tage lang infiziert sein, ohne es zu merken, und in dieser Zeit den Virus an viele andere weitergeben.

Wir erschrecken daher mit Recht, wenn die Zahl der Infizierten pro Tag um 30 Prozent steigt: Gestern hatten wir in Österreich um die 800 Fälle, heute über 1.000, morgen werden es 1.300 sein. In Italien ist die Zahl der Infizierten innerhalb von vier Wochen auf über 20.000 gestiegen, gestern sind dort allein 400 gestorben…

Daher sind die „natürlichen” Maßnahmen der österreichischen Regierung und der Bischöfe sinnvoll. Das übernatürliche hebt das Natürliche nicht auf! Wir Katholiken müssen daher die Feier der heiligen Sakramente – also des übernatürlichen – so gestalten, dass sie nicht im natürlichen Bereich Schaden anrichten. Tatsächlich hat ja schon ein unvorsichtiger Pfarrer in den USA 550 Gläubige infiziert. Gerade wir Priester sind ja – durch unsere vielen Kontakte – ein Gefahrenpotential.

Die Bilder von Papst Franziskus, der alleine im Vatikan die Heilige Messe feiert, der einsam durch die Straßen Roms zur Muttergottes von Santa Maria Maggiore pilgert, schnüren mir das Herz zusammen. Ich selber bin auch Einsiedler geworden: Ich feiere täglich die Heilige Messe in Wien um 12:00 Uhr mit einem einzigen Ministranten. Wir müssen die Hygienevorschriften beachten. Doch Tag wird diese Mittagsmesse im Internet auf www.missio.at gestreamt. Allein heute Mittag haben fast 700 Menschen mitgefeiert … Der Virus kann uns den persönlichen Kontakt verderben, er kann uns aber als Gläubige nicht besiegen.

Im Gegenteil: Es ist jetzt ganz wichtig, dass wir das übernatürliche verstärken. Wir müssen die „Waffen des Gebetes und des Glaubens” ergreifen (Epheserbrief 6). Der Virus ist böse, aber wir können ihn „austricksen”. Wir können die Krise zu etwas Gutem verwenden:

Ich sehe drei Chancen, die wir unbedingt nützen müssen:

1. Wir müssen die geistliche Dimension der Sakramente wieder entdecken! Seien wir doch ehrlich: Wir sind in den letzten Jahren furchtbar veräußerlicht. Bei den Sakramenten war oft nur noch das Äußere, das Trara wichtig: die schöne Hochzeit, die gute Musik bei einer Messe, die nette Predigt, die hübsche Erstkommunion … Sakramentale Feiern sollen „schön” sein, aber das ist nur die Einkleidung. So sind unsere Sakramente zur Folklore verkommen! Jetzt ist die Zeit der Umkehr. Wir müssen die geistliche Substanz wieder entdecken: Sakramente sind dazu da, uns mit Jesus zu verbinden.

  • Ich stehe als Priester allein am Altar, nur ein Ministrant ist da: Aber ich muss mir auch wieder bewusster werden, dass der ganze Himmel da ist, ja dass Jesus selbst durch sein Wort zu mir spricht, dass er im Sakrament zu mir
  • Und Du sitzt jetzt vielleicht alleine zu Hause vor dem Fernseher, ohne Gemeinde, ohne physische Anwesenheit. Und jetzt musst Du „geistlich” werden, jetzt musst Du Dich „übernatürlich” mit Jesus verbinden. Du musst entdecken, dass Jesus Dir nahe ist, – dass er zu Dir kommen will, – auch wenn Du ihn nicht in der Hostie leiblich empfangen willst.

2. Die zweite Chance: Wir müssen endlich beginnen, die Medien für die Verkündigung, für das Gebet, für die Mission zu verwenden. Seit 20 Jahren ist es für jedermann „leicht” die Medien zu nützen: Fernsehen, Radio, Internet, Homepages, Facebook, Instagramm … Bisher hat die Kirche die Medien zwar genützt, – aber kaum für die Verkündigung. Meistens machen wir nur „Berichterstattung”, ,,Nachrichten über uns” und nicht „Verkündigung”. Vor kurzem habe ich einen österreichischen Bischof gefragt: Warum hast Du kein Fernsehstudio für Deine Diözese eingerichtet? – Was die Verkündigung durch die Medien betrifft, stehen wir arm da. Aber diese Verkündigung ist unser Grundauftrag.

Das hat übrigens Papst Franziskus ausdrücklich in seinem Schreiben über Amazonien gesagt: Zuerst kommt die Verkündigung des „Kerygmas”, also der Botschaft, dass Jesus der Herr, der Heiland, der Retter, der Erlöser ist! Das zu verkünden ist sein Grundauftrag an die Kirche „Geht hinaus in alle Welt, verkündet das Evangelium allen Geschöpfen und macht sie zu meinen Jünger!…” (Matthäus 18, Markus 16).

Wir sind es gewohnt, nur mehr über Kirchenreformen, Strukturanpassungen und Machtfragen zu reden, – und jetzt brechen plötzlich die Hotlines der Telefonseelsorge zusammen. Die Menschen rufen an, weil sie Gott brauchen; weil sie Trost und Segen brauchen. Jetzt richten endlich viele Pfarren, Gemeinschaften und Diözesen Live-Streams ein, damit sie Gottesdienste, die Heiligen Messen, die Anbetung und den Rosenkranz übertragen können. Wir müssen endlich substantiell missionarisch werden und dann kreativ! Wir müssen eine auf allen Kanälen, Ebenen und Medien wieder verkündigende und heilbringende Kirche werden. Endlich Mission!

3. Die dritte Chance ist, dass wir wieder das Bittgebet entdecken. Die größte Sünde der Kirche in den letzten Jahren war, dass wir nichts von Gott erwarten. Dass wir ihm gar nichts mehr zutrauen. Hand aufs Herz: Wir haben aus Gott eine bloße Idee gemacht, wie Feuerbach es gesagt hat. So haben wir Gott getötet, wie Nietzsche es ausgedrückt hat.

Ein deutscher Theologieprofessor hat vor kurzem ein Buch über die „Sinnlosigkeit” des Bittgebetes geschrieben. Gut gemeint, aber im Kern schrecklich. In Wirklichkeit tut Gott nichts auf unser Bitten hin, nur für uns ist es eine Art Psychotherapie, weil es uns beruhigt… Das ist ziemlich genau das Gegenteil von dem, was Jesus gesagt hat: ,,Bittet und ihr werdet empfangen!” (Matthäus 7,7)

Hören wir auf mit diesen belanglosen Fürbittenquatsch, den man oft in unseren Gottesdiensten vorgesetzt bekommt. Eine Belästigung Gottes mit Blabla, weil dahinter gar keine wirklichen Anliegen, gar keine echten Erwartungen an Gott stehen. Dass die Menschen bitten haben, zeigt die Flut von Fürbitten, die wir plötzlich erhalten. Ja, Not lehrt beten. Aber diese Lehre soll auch nach dem Corona-Virus bleiben: Wir brauchen Gott, ohne Gott werden wir mit der Welt, den Krankheiten, dem Klima und mit unserem eigenen Leben nicht fertig.

Lernen wir wieder, vertrauensvoll und erwartungsvoll Gott zu bitten. Die ganze Welt brauchen seine Hilfe:

Menschen sterben in Italien einsam, isoliert von ihren Verwandten wegen der Ansteckungsgefahr. Bevor sie sterben können sie sich nur mehr am Handy von ihren Verwandten verabschieden. Das darf uns zu Tränen rühren, das darf uns Angst machen, das ist dramatisch. Gott will das nicht!

Da müssen wir doch zum Herrn schreien, wie wir es in der Bibel lesen: ,,Herr rette uns, denn wir gehen zu Grunde.” Wir brauchen einen Gebetssturm wie wir ihn in Österreich so oft gehabt haben, wenn Pest oder Kriegsgefahr oder Türkensturm uns bedroht haben. Bittgebet ist keine Belanglosigkeit, sondern es bewegt etwas. Wir werden Erhörung erleben!

Wir in Österreich haben uns immer unter den Schutzmantel der Gottesmutter Maria geflohen. Es gibt das wunderbare Lied: ,,Dass Maria eine Bitte nicht gewährt, ist unerhört! Ist unerhört! Unerhört in Ewigkeit!” Ja es ist wirklich unmöglich, dass Gott uns nicht hört, wenn wir aufrichtig und ehrlich zu ihm schreien. Jetzt ist die Zeit dazu!

Liebe Schwestern und Brüder!

Wenn wir ehrlich sind, sind wir in den letzten Jahrzehnten in Europa eine glaubensschwache und daher schrumpfende Kirche geworden. Sind wir nicht wirklich zu sehr auf uns selbt bezogen, zu „selbstreferentiell”, wie Papst Franziskus es dauernd an seiner Kirche kritisiert?! Wie auf einem Karussell kreisen wir um Themen wie kirchliche Ämter, Machtverteilung und Zuständigkeiten, oder um Zölibat und anderes Zweit- und Drittrangiges. Aber ein Karussell kommt nicht vom Fleck. Es ist in seiner Kreiselbewegung gefangen und ist eine belanglose Belustigung für die Umstehenden.

Jetzt ist es Zeit für uns Gläubige, von diesem Karussell abzusteigen: den Menschen zu zeigen: Wir glauben an Jesus Christus, den Sieger über Sünde und Tod, den Heiland der Welt. Er ist Sieger, er spendet Trost, er ist Heiland, weil er die Herzen der Menschen heilen kann: vor der Angst. Wir erflehen seine Hilfe für die gefährdete Welt des Jahres 2020.

Wir müssen uns jetzt auch in der Nächstenliebe als wahre Christen zeigen: Wir müssen für andere da sein. Meine Mitarbeiterinnen von der Young Missio haben sich in Wien den älteren Menschen angeboten, ihnen Einkäufe, Medikamentenbesorgungen usw. zu machen. Bitte seid erfinderisch. Greift zum Telefon und ruft Menschen an, die einsam und verängstigt sind. Bitte macht konkret etwas!

Zeigen wir, dass unser Glaube kein Karussell ist, sondern den Menschen Heil und Segen bringt, den Fernen wie den Nahen, den Gläubigen wie den Ungläubigen. Unsere Substanz ist der Glaube an unseren Herrn Jesus Christus, der die Sünde und den Tod besiegt hat.

Ich schließe mit einem kurzen Gebet:

Herr Jesus Christus, zeige neu Deine Gnadenmacht in der Geschichte dieser Welt. Wir vertrauen auf Dich. Ich schließe mit einem Wort, das Du selbst uns im Johannesevangelium 16,33 gesagt hast: ,,In der Welt habt ihr Angst; aber seid getrost, ich habe die Welt überwunden.”

Herr Jesus Christus, gib, dass die Krise des Jahres 2020 zu einer Reinigung unserer Herzen und zu einer Erneuerung der ganzen Kirche führt. Amen.

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