Zwischen Krieg und Seuche für die Menschen da

Lange hielt das Assad-Regime die Grenzen zu den Nachbarländern offen und leugnete das Problem, nun gibt es die ersten offiziellen Corona-Fälle in Syrien. In der umkämpften Region Idlib bahnt sich eine Katastrophe an. Bruder Hanna, einer der letzten Priester der Region, bleibt bei den Menschen, denen es am Allernotwendigsten fehlt.

Sanfte Hügel voller Olivenbäume, helle Kirchen mit schattigen Innenhöfen, mediterranes Flair: Die Provinz Idlib, in der die Dörfer Knayeh und Yacoubieh liegen, könnte ein Paradies sein. Reich an Geschichte ist sie jedenfalls – einst zog hier der Heilige Paulus von Tarsus vorbei, um den Menschen von Jesus Christus zu erzählen. Heute ist die Region im Nordwesten Syriens das letzte von Rebellen kontrollierte Gebiet und das Zuhause von Bruder Hanna Jallouf. Die meisten Geistlichen haben die Region längst verlassen, zahlreiche Kirchen wurden niedergebrannt und zerstört. Auch ein Großteil der Menschen ist geflüchtet. Bruder Hanna ist geblieben, um für die etwa 260 Familien seiner Gemeinde da zu sein, die ihn heute mehr als je zuvor brauchen.

Seit Dezember rückt das Assad-Regime mit russischer Unterstützung brutal in das von islamistischen Rebellen kontrollierte Gebiet vor. Dabei werden Zivilisten immer wieder gezielt angegriffen. Fast eine Million Menschen flüchteten seither vor den Kämpfen am Boden und den Angriffen aus der Luft. „Die Mehrheit der Vertriebenen sind Frauen, alte Menschen und Kinder. Die Männer kämpfen“, berichtet Bruder Hanna, dessen Gemeinde nur wenige Kilometer südlich der türkisch-syrischen Grenze liegt. Diese bleibt für die Geflüchteten geschlossen, auch Europa nimmt sie nicht auf. „Die Glücklicheren schlafen in Autos, aber es gibt viele, die in alten Zelten, unter Bäumen und sogar in Hühnerställen Schutz finden. Wir sehen unglaubliches Leid“, so der Franziskaner.

Zerstörtes Haus mit Blick ins Schlafzimmer

Versorgung mit dem Nötigsten

Zahlreiche der in Knayeh und Yacoubieh verbliebenen Familien haben hingegen ihre Türen für die Flüchtlinge geöffnet und sie bei sich aufgenommen. Dabei sind sie selbst dringend auf Hilfe angewiesen. Regelmäßig verteilt Bruder Hanna Nahrungsmittel, Wasser, Kleidung und Hygieneprodukte an die Familien. Für die vielen alten und kranken Menschen, die in den Dörfern zurückgeblieben sind, organisiert er lebensnotwendige Medikamente. Kleine Kinder versorgt der Franziskanerpater mit Milch, um Mangelernährung vorzubeugen. Viele von ihnen kennen nur den Krieg. Sie sind traumatisiert, können sich nur schwer konzentrieren, sind nervös oder in sich zurückgezogen. Die Räume der Kirche haben den Kindern bis vor kurzem als Rückzugsorte gedient, in denen liebevoll auf sie eingegangen wird, mit ihnen gelernt, gespielt und gelacht wird. Nun mussten sie geschlossen werden – mit dem neuen Corona-Virus droht den Menschen in Idlib eine weitere Katastrophe.

Angriffe auf Krankenhäuser

Noch gibt es in der Provinz Idlib keinen offiziell-bestätigten Corona-Fall. Expertinnen und Experten zweifeln allerdings, wie verlässlich die offiziellen Angaben sind. In diesen Tagen bringt die Weltgesundheitsorganisation rund 300 Test-Kits und andere medizinische Ausrüstung über die Türkei in die Region Idlib. Auf einen Ausbruch des Virus ist die kriegsgebeutelte Region nicht vorbereitet. Obwohl es das humanitäre Völkerrecht untersagt, wurden zahlreiche Krankenhäuser, darunter etwa auch Geburtskliniken gezielt angegriffen. Dabei wurden in den vergangenen vier Jahren alleine in Nordwest-Syrien 309 Menschen getötet und hunderte teils schwer verletzt, unter ihnen zahlreiche Ärztinnen, Ärzte und Pflegekräfte. Seit Jahresbeginn kam es in der Region zu neun Angriffen auf Gesundheitseinrichtungen bei denen zehn Menschen starben und 39 verletzt wurden. Medizinisches Personal lebe in permanenter Angst davor, angegriffen zu werden, berichtet die Weltgesundheitsorganisation.

Der Krieg hat die Menschen körperlich und psychische geschwächt, sie haben dem neuen Corona-Virus kaum etwas entgegenzusetzen. Im Krankheitsfall können sie nicht damit rechnen, versorgt zu werden. Nur die Hälfte der Krankenhäuser der Region ist noch in Betrieb, es mangelt an medizinischen Fachkräften, Betten, Beatmungsgeräten und Schutzausrüstung. Besonders in den überfüllten provisorischen Flüchtlingslagern wäre ein Ausbruch des Corona Virus verheerend. Die Menschen, von denen viele bereits zum dritten oder vierten Mal flüchten mussten, leben hier oft zu zehnt in einem Zelt oder einer anderen notdürftigen Unterkunft. Sie können keinen Sicherheitsabstand halten. Auch an Wasser und Seife mangelt es, manche können kaum einmal pro Woche duschen – stündliches Händewaschen ist aussichtlos.

Bruder Hanna bleibt

Derweil fordert die internationale Gemeinschaft die Kriegsparteien eindringlich dazu auf, sich an den vereinbarten Waffenstillstand zu halten. So müssten die Menschen zumindest keine Angst davor haben, erneut bombardiert zu werden. Für Bruder Hanna gibt es kein Zurückweichen. „Ich wiederhole immer wieder, dass sie keine Angst haben müssen, dass Gott mit uns ist und uns helfen wird, wie er es in diesen Kriegsjahren immer getan hat“, so der Franziskaner. Er wird auch weiterhin für seine Gemeinde und die vielen vertriebenen Familien da sein und versuchen, sie mit Hygieneprodukten, Nahrung und Medikamenten zu versorgen.

Bitte unterstützen Sie Bruder Hanna und helfen Sie den Menschen in Idlib!

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